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“Ich schreite erst ein, wenn sich jemand in ernster Gefahr befindet” | Willkommen Geschwisterchen

Nathalie Klüver Willkommen Geschwisterchen

Im Ahoikinder-Interview: Nathalie Klüver, Journalistin, Bloggerin und Autorin des Buchs „Willkommen Geschwisterchen“ über die Ankunft eines neuen Familienmitglieds, den idealen Altersabstand und nervenaufreibenden Geschwisterstreit. 

Nathalie Klüver Willkommen Geschwisterchen

Nathalie mit ihrem aktuellen Buch “Willkommen Geschwisterchen”

Als ich zum zweiten Mal schwanger war, sagte eine Kollegin zu mir: „Ein Kind ist kein Kind. Und zwei Kinder sind fünf Kinder.“ Ist der Sprung von einem auf mehrere Kinder tatsächlich so groß?

Also ich empfand es eher gegenteilig: Der Sprung von keinem Kind zu einem war am größten. Der von einem zu zwei Kindern war deutlich kleiner und der Unterschied jetzt von zwei Kindern zu drei Kindern war mit Abstand der kleinste! Die Umstellungen, die das erste Kind mit sich bringt, waren wirklich die größten.

Viele Eltern machen die Erfahrung, dass Erstgeborene sich wahnsinnig auf das Baby freuen, ist das Geschwisterkind aber erstmal da, kann es dem Großen nach einigen Wochen gehörig auf die Nerven gehen. Mein großer Sohn fragte uns damals, ob wir den Kleinen nicht zurück ins Krankenhaus bringen könnten. Von anderen Kindern habe ich den weniger charmanten Vorschlag gehört, das Geschwisterchen auf dem Müll zu entsorgen. Alles ganz normal? Oder Grund zur Sorge?

Ich weiß noch, wie mein Großer mich traurig fragte, ob sein kleiner Bruder jetzt endlich wieder zurück in meinen Bauch gehen kann. Das hat mir wirklich fast das Herz zerrissen! Aber ich kann Entwarnung geben: Das ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Es kommt in den besten Familien vor! Im Ernst: Diese Frage wird tatsächlich sehr oft gestellt, vor allem, wenn der Altersabstand zwischen den Geschwistern klein ist. Es verändert sich ja auch unglaublich viel für das größere Kind. Da hilft nur, Verständnis zeigen und viel Liebe für das große Kind reservieren. Man kann dann schon mal sagen „So ein kleiner Bruder kann ganz schön nerven, oder?“ Aber dann natürlich auch deutlich machen, dass das kleine Baby nun zur Familie gehört und dass man es genauso lieb hat wie das große Kind. Und zur Beruhigung: Der Frust legt sich. Versprochen.

Wie bereitet man ein Kleinkind ideal auf die Ankunft eines Geschwisterchens vor? Und wie ein schon etwas älteres Kind?

Das hängt vom Kind und seinem Interesse ab. Generell gilt bei kleineren genauso wie bei größere Kindern: Man sollte das Kind nicht dazu drängen, sich für das Geschwisterchen zu interessieren. Wenn es einfach kein Interesse zeigt, dann ist das auch ok. Wenn es lieber spielen möchte anstatt ein Buch über Babys anzuschauen, dann lasst es spielen. Und wenn Fragen kommen, dann sollte man sie auch beantworten, ganz in Ruhe und alle Bedenken und Fragen ernst nehmen. Die Antworten müssen gar nicht so detailliert sein – oft geben sich gerade kleinere Kinder mit sehr pragmatischen Antworten zufrieden. Wichtig ist es, die Erklärungen an das Kind anzupassen. Kleine Kinder haben noch kein wirkliches Zeitverständnis. Wenn man ihnen sagt „im November kommt deine Schwester auf die Welt“, sagt denen das erst mal gar nichts. Auch die Aussage, dass das noch drei Monate sind, bringt die Kinder nicht weiter. Da helfen Umschreibungen wie „wenn der erste Schnee fällt“ oder „kurz vorm Weihnachtsmann“ schon eher weiter.

Kannst Du ein Bilderbuch zum Thema empfehlen?

Uns hat das gute alte Connibuch zu dem Thema weitergeholfen!

Als problematisch erleben Eltern häufig die Phase, in der das Baby-Geschwisterchen zum Kleinkind wird. Auf einmal steht es auf, läuft – und macht alle Lego-Türme kaputt. Hast Du einen Rat?

Erst mal kann ich beruhigen: Sobald das kleine Kind dann sprechen kann ,wird es leichter. Seit der Kleine sprechen kann, ist er von seinem Bruder als Spielkamerad anerkannt und seitdem sind sie richtig dicke Kumpel. Was in der schwierigen Zeit hilft, sind klare Regeln und vor allem babysichere Spielebenen, auf denen die größeren dann ihr eigenes Reich haben. Das gibt den größeren Kindern dann auch Selbstvertrauen. Und natürlich kann man die kleineren darauf hinweisen, was sie nicht dürfen. Die verstehen mehr als man denkt!

Egal, wie gut Geschwister sich verstehen, egal wie alt sie sind, Geschwisterstreit gehört einfach dazu. Was rätst du entnervten Eltern bei Dauer-Streithähnen?

Raushalten! Je älter die Kinder sind, umso besser geht das.  Ich klappe einfach meine Ohren zu und schreite erst ein, wenn sich jemand von den beiden in ernster Gefahr befindet. Die Kinder können mehr selbst lösen als man glaubt – und sie lernen mit jedem selbst gelösten Konflikt hinzu. Natürlich gibt es Grenzen, bei denen man einschreiten sollte. Aber oft löst sich vieles durch Abwarten. Falls man dann einschreitet, sollte man erst mal die Streithähne trennen und sich dann von beiden berichten lassen, was Grund des Streits ist. Und dann noch einmal neutral alles zusammenfassen. Dann kann man die Kinder selbst eine Lösung finden lassen und das ein bisschen moderieren. Meistens ist dann der Zorn auch verraucht. Und wenn gar nichts mehr geht und die Fronten total verhärtet sind, dann müssen wir Eltern Grenzen ziehen und entscheiden, wie es weitergeht. Aber oft lässt sich der Streit schon vorher trennen.

 

Unsere Jungs teilen sich bis heute ein Zimmer. Was ist Deine Meinung zum gemeinsamen Geschwisterzimmer?

Ich finde ja eh, dass Kinderzimmer überbewertet werden! Meine Kinder spielen im ganzen Haus. Sie haben ein gemeinsames Zimmer und erst seit kurzem nutzen sie es wirklich – sie ziehen sich am Nachmittag darin zurück und kommen erst zum Abendbrot wieder raus. Das ist toll! Aber da meine Jungs eh immer zusammenspielen und ihre Spielsachen auch teilen, wären zwei Zimmer zurzeit echte Verschwendung. Nur wenn der eine Besuch hat und der andere nicht, dann muss an sich etwas einfallen lassen. Meistens verabrede ich aber beide gleichzeitig, so dass die einen im Wohnzimmer spielen und die anderen im Kinderzimmer. Aber die Frage nach dem gemeinsamen Zimmer hängt natürlich auch vom Altersabstand und den Charakteren der Kinder ab. Ich denke aber, dass ein gemeinsames Zimmer das gemeinsame Spielen und die Verbundenheit sehr fördern kann.

Geschwister sind häufig sehr unterschiedlich, schon weil sie sehr unterschiedlich sein möchten und unterschiedliche Nischen besetzten möchten. Was ist dran an den typischen Klischees, das Erstgeborene sei das vernünftigere Kind und später häufig das beruflich erfolgreichste, die jüngeren seien durchsetzungsstärker, ein mittleres Kind ist besonders diplomatisch usw.?

Es gibt da verschiedene und auch widersprüchliche Studien. Unbestritten ist aber, dass Geschwisterunterschiede oft daher kommen, dass die Geschwister die Rolle besetzen, die das andere Kind noch nicht besetzt hat. Das nennt sich Deidentifikation. Man will sich abgrenzen und wenn der Große schon die Rolle des braven Topsportlers besetzt hat, dann sucht sich das kleinere Kind die Rolle des wilden Musikers. Zum Beispiel. Das verhindert Eifersucht und Rivalität – denn jeder ist in seiner Nische gut und erhält dort die nötige Anerkennung. Das hat die Natur eigentlich clever eingerichtet.

Gibt es eigentlich den idealen Altersabstand zwischen Geschwistern?

Experten sagen, es sind 3 Jahre. Aber das kann man nicht verallgemeinern. Das muss jeder selbst entscheiden -und oft hat man da ja auch keinen Einfluss drauf. Es hat alles Vor- und Nachteile. Je enger die Kinder beieinander sind, umso besser können sie miteinander spielen. Ein größerer Abstand hat den Vorteil, dass man sich auf beide mehr konzentrieren kann. Aber dafür fängt man nach vier Jahren noch mal von vorne, während man bei einem kleineren Abstand alles in einem Abwasch hat. Wir haben 2 Jahre bei den Großen und 4 Jahre zur Schwester – das ist bei drei Kindern eine super Kombination!

Du hast mittlerweile drei Kinder. Ist es für zwei Geschwister einfacher, wenn noch einmal ein Baby kommt? Schließlich sind sie es schon gewohnt, Mama und Papa zu teilen?

Meine Erfahrung hat gezeigt: Ja! Vor allem, weil die Jungs sich so gut verstehen und so eng miteinander sind. Und gleichzeitig unglaublich lieb zu ihrer Schwester. Der Große kannte die Umstellung mit einem Baby schon und der Kleine kannte es eh nie anders – er musste uns immer  teilen. Das macht die Umstellung auf drei Kinder wirklich leichter.

Und was reizt Dich ganz persönlich an der Geschwisterkonstellation mit drei Kindern?

Die Kinder sind in der Überzahl! Das finde ich irgendwie klasse.

Geschwisterstreit, Eifersucht, noch mehr herumliegende Socken. Liebe Nathalie, was spricht dafür, trotzdem mehr als ein Kind zu bekommen?

Mehr Trubel, mehr Leben in der Bude! Und die Kinder sind nicht alleine, sie haben einen Verbündeten, jemanden zum Spielen und wenn sie älter werden, jemanden, der mit ihnen an einem Strang zieht. Die Geschwisterbeziehung ist meist die längste Beziehung, die wir im Leben haben. Da ist ein Leben lang jemand, der einen seit der Kindheit kennt, der für einen da ist (optimalerweise, wenn die Beziehung stimmt), auf den man sich verlassen kann. Und für uns Eltern ist es einfacher – denn unsere Kinder haben immer jemanden zum Spielen. Da muss man im Urlaub oder an Nachmittagen nicht der Alleinunterhalter sein – das übernehmen die Geschwister. Das ist doch auch toll!

Liebe Nathalie, wir danken Dir herzlich für das Gespräch!

Nathalie ist 3-fach Mama, Journalistin und Bloggerin (Eine ganz normale Mama). In Ihrem  Buch “Willkommen Geschwisterchen” gibt sie Tipps rund um den Familienzuwachs. Wertvoll für Schwangere, Möglicherweise-möchtergern-wieder-Schwangere, aber auch für all jene, die schon Geschwisterkinder haben. Übrigens: In diesen Tagen ist Nathalies neues Buch erschienen: Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein

 

Zu gewinnen: Willkommen Geschwisterchen 

Ihr möchtet das Buch Willkommen Geschwisterchen gewinnen? Dann kommentiert einfach diesen Beitrag und schreibt mir bis zum 3. Mai, warum ihr ein, zwei, drei oder sechs Kinder haben möchtet. Der Gewinner wird per E-Mail informiert. Viel Glück!

 

 

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